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Zwischen Nebel, Fels und Klang – Auf geologischer Spurensuche im Aargau
Der GeoWeg Aargau ist mehr als ein thematischer Wanderweg – er ist eine Einladung, verborgene Erdgeschichte mit offenen Augen zu entdecken. Über zwölf Kilometer und 23 Stationen hinweg erzählt er von längst vergangenen Zeitaltern, von Wasser, Fels, Fossilien – und von der Kraft der Natur, die Landschaft formt und verändert.
Unsere Wanderung begann am Bahnhof Schinznach-Bad, wo der GeoWeg seinen Ausgang nimmt. Doch statt sommerlicher Wärme begrüsste uns dichter Hochnebel, der über der Landschaft hing wie ein Schleier. Es war Juli, doch die Stimmung erinnerte an einen stillen Herbstmorgen – kühl, verhangen und seltsam entrückt. Der Nebel hatte jedoch auch seinen Reiz: Er dämpfte die Geräusche, schenkte uns ein Gefühl von Abgeschiedenheit und liess die Landschaft weich und geheimnisvoll wirken.
Gleich bei der ersten Infotafel erhielten wir einen Überblick über die Route – und waren zugleich erstaunt: Der GeoWeg war unterwegs nirgends ausgeschildert. Ohne GPS hätten wir den Verlauf kaum gefunden, denn nicht alle Abschnitte lagen auf dem offiziellen Wanderwegnetz. Wir mussten uns also Weg für Weg, Station für Station selbst erarbeiten – was der Tour auch eine gewisse Abenteuerlichkeit verlieh.
Wir verliessen den Ort auf einem kleinen Pfad, der uns ans Ufer der Aare führte. Der Fluss glitt still dahin, begleitet vom Rascheln des Auenwaldes. An der ersten Station – Fluss- und Auenlandschaft – lasen wir über die Dynamik dieses Lebensraums: Wie sich Wasserläufe verlagern, wie neue Inseln entstehen, wie Ufer zerfallen und wieder aufgebaut werden – ein Kreislauf des Wandels.
Bei der Reha-Klinik wechselte der Weg auf Asphalt. Bald erreichten wir die zweite Station: Thermalwasser in Schinznach-Bad. Aus bis zu 4000 Metern Tiefe strömt hier seit Jahrhunderten warmes Wasser an die Oberfläche – ein geologisches Wunder. Ein Tropfen Wasser braucht ganze 20 Jahre, um von den Jurahöhen bis hierher zu gelangen. Ein stiller Prozess, tief unter unseren Füssen.
Weiter ging es durch das Gelände der Thermalbäder, vorbei an Mauern und Brunnen, bis uns eine weitere Tafel bei Station 4 – Farne am Fels – innehalten liess. Hier, wo der Faltenjura auf den Tafeljura trifft, entstehen feuchte, schattige Felshänge. In dieser Nische gedeihen Farne, die als lebende Fossilien gelten – Pflanzen, die schon zu Zeiten der Dinosaurier existierten.
Durch eine Unterführung wechselten wir die Strassenseite, querten einen Golfplatz und tauchten in den Wald am Pfarrweg ein. Es ging sanft bergan, begleitet vom Knirschen des Kieses und dem Duft feuchter Erde. Der Weg umrundete die Walderhebung Hölzliberg, bis wir bei Habsburg auf eine kleine Strasse trafen.
Schon bald ragte das geheimnisvolle Schloss Habsburg vor uns auf – von Nebelschwaden halb verborgen, wirkte es wie ein Trugbild aus einer anderen Zeit. Die Wiege eines der mächtigsten Adelsgeschlechter Europas lag still und gespenstisch da, von der Sonne noch immer nicht berührt.
Durch die Rebhänge senkte sich unser Weg. Zwischen den Reben schimmerte die Feuchtigkeit auf den Blättern. Unten, beim Burgacker, trafen wir auf Station 11 – Muschelkalk. In den Gesteinsplatten entdeckten wir zarte Abdrücke: versteinerte Seelilien, die einst den Meeresboden bedeckten – Überbleibsel eines tropischen Urmeeres, das hier vor 240 Millionen Jahren rauschte.
Weite Felder führten uns zum Klopfplatz bei Station 12, wo riesige Findlinge lagerten – stille Zeugen der Eiszeiten, vom Gletscher hierhergetragen. Kinder klopften mit Hämmern auf kleine Steine, versuchten, Geheimnisse freizulegen – ein spielerischer Ort, der Wissen fühlbar macht.
Über offene Landschaft erreichten wir das Dörfchen Scherz, das sich bescheiden und charmant präsentierte. Eine Katze begrüsste uns auf einer warmen Mauer, und ein Windhauch brachte den Duft von Heu mit sich. Der Name Scherz, so erfuhren wir, stammt übrigens nicht vom Lachen, sondern vom altdeutschen scerza, was so viel wie “abgetrenntes Stück Land” bedeutet.
Nach dem Ort führte ein Forststrässchen am kleinen Büselweiher vorbei, der still zwischen Binsen und Schilf lag – ein Ort zum Innehalten. Wenig später erreichten wir Station 17 – Wangener Kalk. Der helle Kalkstein wurde über Jahrhunderte abgebaut und war begehrter Baustoff – vielleicht auch für die Mauern der Habsburg.
Hinter dem Scherzberg lenkte uns die Route auf einen kleinen Abstecher zum Gütsch – eine Felsnase mit Weitblick. Und dort geschah etwas Unerwartetes: Ein Alphornbläser stand auf dem Grat, liess seine Melodie in den Himmel steigen. Der Ton schwebte über das Thalheimer Tal, vermischte sich mit dem Wind – ein Moment voller Magie.
Hier befand sich auch Station 20 – Panorama Thalheim, mit Blick auf eine weich geformte Landschaft, die von eiszeitlichen Gletschern modelliert wurde. Der weite Blick, das Licht, das jetzt durch die Wolken brach – all das verlieh dem Ort eine besondere Ruhe.
Nach Station 21 wendeten wir uns wieder dem Tal zu. Der Abstieg durch den lichter werdenden Wald war sanft, fast meditativ. Bald schon erreichten wir den Ortsrand von Schinznach-Bad, wo uns die letzte Station erwartete: Station 23 – Effinger Schichten. Diese geologischen Lagen bilden das Rohmaterial für Zement, ein stummes Fundament unserer modernen Welt.
Und dann waren wir zurück, wo alles begonnen hatte: am Bahnhof, wo sich der Kreis des GeoWegs schloss. Die Sonne hatte sich endlich ihren Weg durch die Wolken gebahnt – und verabschiedete uns mit goldenem Licht.
Fazit:
Der GeoWeg Aargau ist ein stiller, überraschender Lehrpfad durch Erdgeschichte und Landschaft. Auf zwölf abwechslungsreichen Kilometern mit 290 Höhenmetern und rund 3 Stunden 15 Minuten Gehzeit erwartet Wanderfreunde eine besondere Mischung aus Natur, Geologie und Kultur – vorausgesetzt, man bringt GPS, Geduld und wache Sinne mit.