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Durch die Ravennaschlucht zum Piketfelsen
Wir fuhren nach Hinterzarten, um eine schöne Wanderung zu unternehmen. Schon während der kurzen Bahnfahrt stellten wir uns vor, was uns an diesem Tag erwarten würde. Die Route versprach gleich mehrere Höhepunkte: die Ravennaschlucht, die mit ihren tosenden Wasserfällen und engen Stegen zu den eindrücksvollsten Orten im Hochschwarzwald gehört, der Aufstieg hinauf zum Piketfelsen, wo uns eine offene Sicht über die weiten Wälder erwartete, und schliesslich die Kaiserwacht, die für ihre grossartige Aussicht über den Südschwarzwald bekannt ist. Es sollte eine abwechslungsreiche Runde werden, die Naturerlebnis und Panorama in idealer Weise miteinander verband – und genau darauf freuten wir uns an diesem Morgen.
Wir verliessen das Bahnhofsgelände in Hinterzarten und folgten der breiten Strasse hinaus aus dem Ort. Bald zweigten wir links ab und gelangten auf den Zartenbachweg. Ein schmaler Pfad führte uns hinunter ins Löffeltal, wo uns der Bach begleitete und die ersten Hinweistafeln vom alten Handwerk berichteten. Sie erzählten von der früher hier betriebenen Löffelmacherei, vom Holzhandwerk und von den kleinen Gewerben, die einst vom Wasser des Baches lebten. Zwischen den Bäumen lagen Überreste alter Sägen und Mühlen, darunter auch die Klopfsäge, die zwar nicht in Betrieb war, uns aber dennoch einen Eindruck vom früheren Arbeiten im Tal vermittelte. Der Weg führte uns unter der Bundesstrasse hindurch, immer weiter dem Tal folgend. Auf einer alten Sandsteinbrücke von 1857 überquerten wir den Bach, bevor wir das Hofgut Sternen erreichten – ein markanter Punkt am Eingang zur Ravennaschlucht. Hier trafen wir auf eine Glasbläserei und das ehemalige Steigenwirtshaus, in dem Johann Wolfgang von Goethe 1779 eingekehrt und übernachtet hatte. Gleich daneben stand das alte Zollhaus.
Vor uns bauten sich die mächtigen Pfeiler des Ravenna-Viadukts auf, die wir unterquerten und die sich wie ein Tor zur Ravennaschlucht erhoben. Das Bauwerk wurde Ende des 19. Jahrhunderts errichtet, um die Höllentalbahn über die tiefe Schlucht zu führen. Mit seinen hohen Sandsteinbögen war es nicht nur ein eindrucksvolles Zeugnis der Ingenieurskunst, sondern auch ein Wahrzeichen dieser Gegend – und es schien, als bewache es den Eingang zur Schlucht.
Nachdem wir das Viadukt hinter uns gelassen hatten, tauchten wir in die Ravennaschlucht ein. Der Weg wurde schmaler, dichter Wald umgab uns, und das Rauschen des Wassers war nun unser ständiger Begleiter. Auf schmalen Stegen und Brücken folgten wir dem wilden Bach, der sich über Felsen und kleine Stufen seinen Weg ins Tal bahnte. Immer wieder sprühte feiner Wassernebel durch die Luft und verlieh der Schlucht eine frische, geheimnisvolle Atmosphäre.
Zwischen moosbewachsenen Steinen und engen Felswänden reihten sich kleinere Wasserfälle aneinander, bis wir den grossen Ravenna-Wasserfall erreichten. Über 16 Meter stürzte das Wasser hier in die Tiefe – ein kraftvolles Naturschauspiel, das uns für einen Moment innehalten liess.
Der Pfad verlangte Trittsicherheit, doch gerade das machte den Reiz aus. Schritt für Schritt bot sich ein neues Bild: ein Blick zurück auf einen Steg, das Funkeln der Gischt im Licht, das dunkle Grün der Hänge. Nach und nach öffnete sich die Schlucht wieder, das Rauschen wurde leiser – und wir gelangten bei der Ravenna-Säge zurück ins Freie.
Hier verliessen wir die Schlucht und folgten ein kurzes Stück der Strasse. Schon bald wies uns die gelbe Raute zurück auf den Pfad, der in den Wald hineinführte. Nun begann der eigentliche Aufstieg zum Piketfelsen. Der Weg zog sich stetig bergan, teils über schmale Wurzelpfade, teils über weiche Waldwege. Es war ein kontinuierliches Steigen, das etwas Ausdauer verlangte, doch die ruhige Umgebung des Waldes machte den Anstieg angenehm.
Mit jedem gewonnenen Höhenmeter lichtete sich der Wald ein wenig mehr, und einzelne Blicke in die Ferne gaben einen Vorgeschmack auf das, was uns erwartete. Nach einer Weile erreichten wir den Piketfelsen, wo sich der Blick weit über die dunklen Wälder und sanften Höhen des Schwarzwalds öffnete. Die Aussicht wirkte beinahe endlos – ein weiter Teppich aus Grün, durchzogen von hellen Schneisen und einzelnen Ortschaften in der Tiefe. Wir verweilten hier einen Moment, genossen die Ruhe und die Weite, bevor wir unseren Weg in Richtung Kaiserwacht fortsetzten.
Von der Kaiserwacht senkte sich der Weg wieder und führte uns durch den stillen Wald hinab. Zwischen hohen Tannen und vereinzelten Lichtungen wanderten wir in sanften Kehren, bis wir den kleinen Weiler Deckerhäusle erreichten. Dort fassten wir nach längerer Zeit wieder Hartbelag unter unsere Füsse und setzten unseren Weg weiter fort. Ab hier führte uns der Pfad durch den Wald, vorbei am Rössleberg-Seiltrieb, wo noch Spuren der früheren Holznutzung sichtbar sind. Danach wanderten wir weiter talwärts, bis der Weg an die Bundesstrasse führte. Ein Stück begleiteten wir sie, bevor sich unser Weg wieder in Richtung Hinterzarten wandte.
Schliesslich führte uns die Strasse durch den Ort zurück zum Bahnhof von Hinterzarten, wo sich unsere Runde schloss.
Fazit:
Eine eindrucksvolle Tour mit rund 12.7 Kilometern Länge, etwa 430 Höhenmetern und in 3.5 Stunden Gehzeit. Besonders die Schlucht mit ihren Wasserfällen und Stegen sowie die weiten Ausblicke vom Piketfelsen und der Kaiserwacht machten diese Runde zu einem unvergesslichen Erlebnis im Südschwarzwald.