Vom Schluchsee zum Dom von St. Blasien – Eine Wanderung zwischen Wasser, Wald und Stein


Manche Orte tragen in sich eine stille Erinnerung, die uns auch nach Jahren wieder ruft. Für uns war St. Blasien so ein Ort – zehn Jahre war es her, dass wir den Dom zuletzt gesehen hatten, damals nur als Zwischenhalt auf dem Schluchtensteig. Nun wollten wir ihm wieder begegnen, doch diesmal als Ziel einer Wanderung, die uns vom Schluchsee über stille Wälder, die Windberghütte und die wilde Windbergschlucht direkt dorthin führen sollte. Eine Route zwischen Wasser, Wald und Stein – ein Bogen von der Weite des Sees bis zur gewaltigen Kuppelkirche im Herzen des Schwarzwalds.


Wir reisten mit der Bahn von Titisee hinauf nach Schluchsee, wo unsere Wanderung beginnen konnte. Der Zug folgte dabei bereits einem der schönsten Abschnitte der Höllentalbahn: durch dunkle Tannenwälder, vorbei an Lichtungen und kleinen Weilern, bis sich der Blick öffnete und das Wasser des Schluchsees in der Sonne schimmerte.


Wir entfernten uns vom Bahnhof und wanderten zunächst der Strasse nach, am Rande des Dorfes Schluchsee entlang, bis wir die kleine Parkanlage bei der Schluchseehalle passierten. Wenige Schritte später schlossen sich die Bäume über uns, und wir traten in den Wald ein. Ein breites Strässchen führte uns sanft hinein in die stille Welt der Fichten und Tannen. Der Weg war Teil des Mittelwegs, einer der grossen Schwarzwälder Fernwanderwege, hier in der Variante Schwarz markiert.


Bald senkte sich das Gelände wieder, und beim Waldausgang unterquerten wir die Bundesstrasse, um direkt ans Ufer des Schluchsees zu gelangen. Nun führte uns der Weg in einem weiten Bogen um das südliche Ende des Sees. Begleitet vom Rauschen der vorbeifahrenden Autos, aber auch immer wieder mit Blick auf das glitzernde Wasser, folgten wir der Strasse bis zur Talsperre Schluchsee.


Die Talsperre ist das markante Bauwerk, das den heutigen Schluchsee überhaupt erst in seiner jetzigen Form entstehen liess. Ursprünglich war er ein natürlicher Gletschersee, doch in den 1920er-Jahren wurde er mit einer 63 Meter hohen Staumauer aufgestaut und ist seither der grösste See im Schwarzwald. Das Wasser wird als wichtiger Speicher für die Stromproduktion genutzt – über das Kavernenkraftwerk Häusern, eines der leistungsstärksten Pumpspeicherkraftwerke Deutschlands. Für uns Wanderer aber ist die Talsperre vor allem ein eindrücklicher Ort: von hier blickt man über die Weite des Sees, eingerahmt von dunklen Wäldern, die sich bis an die Ufer hinunterziehen.


Wir entfernten uns nun vom Staudamm und folgten einem breiten Schotterweg, der uns durch den Wald führte. Bald lichtete sich dieser, und wir traten hinaus auf eine Fahrstrasse, die uns durch einen kleinen Weiler brachte. Das Gelände begann nun merklich anzuziehen, und wir wanderten an der Kreisstrasse entlang. Zwar war der Asphalt weniger reizvoll, doch die stetige Steigung versprach den Übergang in eine stillere Landschaft.


Glücklicherweise führte uns die Markierung des Mittelwegs bald wieder von der Strasse weg und hinein in ein kleines Wäldchen. Hier begleitete uns das Habsmoosbächle, das leise plätschernd durch sein enges Bett strömte. Die Szenerie wirkte idyllisch: moosbewachsene Steine, Lichtspiele zwischen den Stämmen, ein leises Rauschen, das die Schritte begleitete. Doch schon bald verliessen wir auch diesen friedlichen Abschnitt und fanden uns erneut auf Strassenbelag wieder, stetig weiter hinaufsteigend.


Der Anstieg brachte uns weiter hinauf in den Höhenzug, bis wir in das Dorf Blasiwald eintraten. Der kleine Ort liegt verstreut auf sonnigen Mattenhängen, umgeben von dichten Wäldern, die ihm seinen Namen gaben. Ein Platz, der Ruhe ausstrahlt und wie geschaffen wirkt für ein Leben im Rhythmus der Jahreszeiten.


Am Ortsrand erhebt sich die Marienkirche von Blasiwald, ein schlichter, aber würdevoller Bau, der seit dem 18. Jahrhundert über das Tal wacht. Ihr weisser Turm mit Zwiebelhaube ist weithin sichtbar und bildet einen schönen Kontrast zu den dunklen Nadelhängen ringsum. Für die Dorfbewohner ist sie bis heute ein Mittelpunkt, für den Wanderer ein stiller Ort, um kurz innezuhalten.


Wir verliessen Blasiwald und folgten dem Weg weiter in sanftem Auf und Ab durch Wiesen und lichte Waldstücke. Zwischen einzelnen Schwarzwaldhöfen und weiten Ausblicken tauchte unvermittelt die kleine St.-Pantaleon-Kapelle direkt am Weg auf. Schlicht, beinahe unscheinbar, und doch mit einer besonderen Ausstrahlung – als würde sie allen Vorübergehenden eine kurze Rast anbieten. Sie ist einem frühchristlichen Arzt und Märtyrer geweiht, der als Heiliger für Gesundheit und Schutz verehrt wird. Umgeben von alten Bäumen und mit Blick über die Höhen wirkt dieser Ort friedvoll und zugleich tief verwurzelt in der Geschichte des Dorfes.


Kurz darauf fassten wir Fuss auf dem Schluchtensteig – nach zehn Jahren standen wir also wieder auf diesem bekannten Weitwanderweg. Lang war es her, und ein leises Gefühl von Vertrautheit mischte sich mit der Freude des Wiedersehens.


Die Strasse führte uns nun abwärts durch den Wald, bis wir bei der Windberghütte ankamen. Die kleine, etwas in die Jahre gekommene Schutzhütte liegt am Rand der Schlucht und wirkte fast, als hätte sie schon viele Wanderer vor Regen und Wind bewahrt. Für uns war sie weniger Rastplatz als vielmehr ein stilles Zeichen, dass wir an der Schwelle zu einem besonderen Naturraum standen.


Denn gleich daneben beginnt das Bannwaldgebiet Windbergschlucht – ein Schutzraum, in dem seit über 100 Jahren keinerlei forstlicher Eingriff mehr stattfindet. Die alten Fichten und Buchen dürfen hier einfach wachsen, vergehen und neu entstehen. Ein urwüchsiger Wald, in dem umgestürzte Bäume liegen bleiben, Moose die Stämme überziehen und das Spiel von Licht und Schatten eine besondere Atmosphäre schafft. Auch die Tierwelt profitiert von dieser Ursprünglichkeit: Spechte, Hohltauben und viele Insekten finden hier ideale Lebensräume.


Wir tauchten ein in die Windbergschlucht – einen jener Orte, an denen die Natur die Oberhand behält und der Mensch nur Gast auf schmalen Pfaden bleibt. Der Weg führte uns zunächst entlang des plätschernden Baches, der sich tief in den Hang gegraben hatte. Über kleine Brücken wechselten wir mehrfach die Uferseite, stets begleitet vom Rauschen des Wassers, das über Steine und Wurzeln seinen Weg suchte.


Die Schlucht wirkte urwüchsig, beinahe ungezähmt: Moose überzogen die Felsen in leuchtendem Grün, abgestorbene Baumstämme lagen quer über dem Bach, und über unseren Köpfen schlossen sich die hohen Tannen zu einem dichten Dach. Immer wieder fiel das Licht in schmalen Bahnen zwischen den Stämmen hindurch und verlieh dem Wald ein fast mystisches Leuchten.


So wanderten wir Schritt für Schritt tiefer hinein, liessen uns vom Rhythmus des Wassers tragen und spürten, wie sich die Zeit hier zu dehnen schien. Es war ein stiller, eindrücklicher Abschnitt, der den Übergang vom offenen Höhenland ins Herz des Schwarzwaldes markierte – und zugleich der Auftakt zum Abstieg nach St. Blasien war.


Allmählich öffnete sich die Schlucht, der Weg wurde breiter und der Bach verlor etwas von seiner Wildheit. Wir folgten ihm weiter talauswärts, bis die ersten Häuser von St. Blasien in Sicht kamen. Nach Stunden im Wald wirkte das plötzliche Auftauchen der kleinen Stadt fast überraschend – als würde man aus einer anderen Welt zurückkehren.


Bald standen wir auf den Strassen des heilklimatischen Kurortes, der sich sanft in das Tal des Albflusses schmiegt. Doch unser Blick wurde sofort gefangen von dem, was über allem thront: dem Dom von St. Blasien.


Schon von weitem beeindruckt die gewaltige Kuppel, die sich hell und mächtig über die Dächer erhebt. Mit 36 Metern Durchmesser und 63 Metern Höhe zählt sie zu den grössten Kuppeln Europas nördlich der Alpen – ein Monument, das man in dieser Schwarzwaldlandschaft kaum erwartet.


Wir traten ein, und ein Gefühl von Weite und Licht umfing uns. Das Innere ist überraschend schlicht und hell, geprägt von weißem Stuck und klaren Formen. Kein überladenes Barock, sondern eine strenge, beinahe klassizistische Eleganz, die den Raum gerade dadurch so erhaben wirken lässt. Unter der Kuppel stehend fühlten wir uns klein, und doch gleichzeitig aufgehoben – als gäbe dieser Bau nicht nur Raum für den Blick nach oben, sondern auch für innere Sammlung.


Für uns war es eine besondere Rückkehr: Vor zehn Jahren waren wir schon einmal hier gewesen, damals als Etappenort auf dem Schluchtensteig. Heute aber war der Dom nicht nur Zwischenziel, sondern würdiger Schlusspunkt unserer Wanderung – ein Bauwerk, das Spiritualität und Geschichte in sich vereint und jedem Besucher seinen ganz eigenen Eindruck mit auf den Weg gibt.


Damit beendeten wir unsere Wanderung in St. Blasien. Nach einem letzten Blick zurück auf die mächtige Kuppel des Doms machten wir uns auf den Heimweg. Mit Bus und Bahn fuhren wir zurück nach Titisee – hinein in den Alltag, doch mit dem Gefühl, einen eindrücklichen Tag voller Wasser, Wald und steinerner Erhabenheit erlebt zu haben.


Fazit:

Eine schöne Wanderung mit abwechslungsreichen Eindrücken – vom glitzernden Schluchsee über stille Dörfer und Waldstücke bis hinein in die wilde Windbergschlucht und als krönender Abschluss der imposante Dom von St. Blasien. Insgesamt legten wir 11,5 Kilometer in 3 Stunden und 15 Minuten Gehzeit zurück und bewältigten dabei 270 Höhenmeter aufwärts. Eine Tour, die Natur und Kultur auf eindrucksvolle Weise verbindet.

Schluchsee - Windbergschlucht - St. Blasien

St. Blasien
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